«Denkt mit dem Herzen – Helft euch gegenseitig!»

    Aus Anlass des 75-jährigen Bühnenjubiläums trägt der Klarinettist Giora Feidman mit seinen Freunden auf der «Friendship Tour 2022» über Landesgrenzen, Religionen und Generationen hinweg seine Botschaft von Frieden und Versöhnung in die Welt. Der gebürtige Argentinier, auch bekannt als «Der König des Klezmers», verbindet in seiner Tournee mitreissenden Tango mit berührendem Klezmer – die Aufregung der Moderne trifft auf die Verbundenheit seiner Tradition. Vom 12. bis 16. Oktober 2022 macht der 86-Jährige Halt in der Schweiz – am 14. Oktober in der Heiliggeistkirche Bern.

    (Bild: Mehran Montazer) «König des Klezmers» Giora Feidman & Friends spielen fünf Schweizer Konzerte im Herbst 2022.

    Sie treten vom 12. bis 18. Oktober in der Schweiz auf. Was gefällt Ihnen an unserem Land und wie erleben Sie das Schweizer Publikum?
    Giora Feidmann: Es gibt mehrere Gründe, warum man die Schweiz lieben muss. Die traumhafte Landschaft, grossartige und lebendige Städte und Menschen, die kulturbegeistert sind und die Musik unterstützen.

    Ihre Botschaft ist Frieden und Versöhnung. Momentan herrschen allerdings gerade ungewisse Zeiten. Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
    Ich habe mich immer für die Versöhnung zwischen den Menschen und Kulturen eingesetzt. Wissen Sie – die Musik ist dabei eine der wichtigsten Instrumente – Musik ist eine einheitliche Sprache. Ich habe meine letzte CD, die anlässlich meines 75-jährigen Bühnenjubiläums entstanden ist, «Friendship» genannt. Wir Künstler sind verpflichtet, jede Bühne dafür zu nützen, um für Frieden und Liebe zu appellieren.

    Bekanntheit erlangt haben Sie unter anderem durch Ihren musikalischen Beitrag zum oscarprämierten Film «Schindlers Liste». Welche Bedeutung hat dieser Film für Sie persönlich?
    Ich sage immer, wir sollen nach vorne schauen aber aus den vergangenen Fehlern lernen. «Schindlers Liste» muss von daher immer wieder als Lehrfilm in den Schulen gezeigt werden. Auch um zu zeigen, dass Zivilcourage, Mut und Menschlichkeit in den Gedächtnissen fest verankert sein muss. Ich habe bei den Aufnahmen geweint, weil der Film mich persönlich so berührt hat. Übrigens, ich habe in meiner «Friendship»-CD einen Song mit dem Titel «Respect». Ich widme diesen Song allen Menschen, die ihr Leben für jüdische Mitbürger geopfert haben oder sich für sie in Lebensgefahr gebracht haben. Bei dem Film geht es um das Beispiel von Oskar Schindler. Wir alle wissen aber, dass es viele weitere solche Menschen gegeben hat, über die wir aber nur wenig wissen oder sprechen. Diesen Menschen möchte ich meinen Song widmen und meinen Respekt erweisen.

    Sie haben die Klezmer-Tradition praktisch wiederentdeckt und Klezmer weltweit bekannt gemacht!
    Ja, das kann man wohl sagen. Hierbei hat mir meine liebe Frau Ora, die leider in diesem Jahr verstorben ist, sehr geholfen.

    Was fasziniert Sie persönlich an Klezmer?
    Klezmer ist für mich nicht nur die fröhlich jüdische Musik, die man bei Feierlichkeiten spielt. Die Klezmer Musik hat eine jahrhundertlange Tradition. Klezmer verkleidet meinen jüdischen Glauben. Wörtlich bedeutet Klezmer Gefäss oder Gerät des Liedes. Ich spüre, dass in meinen Blutgefässen nicht nur Blut, sondern auch der Geist des Klezmers fliesst.

    Welche aktuellen Tendenzen beobachten Sie im Klezmer?
    Es gibt weltweit immer mehr Klezmer-Ensemble, was mich sehr erfreut. Ich fühle mich geehrt, dass meine jahrzehntelange Arbeit sich gelohnt hat. Ich persönlich habe mit meinem Management in den letzten zwei Jahren zwei neue Ensembles gegründet. Klezmer Virtous und das Ensemble Giora Feidman and Friends, mit denen ich auch die Schweiz-Tournee spielen werde. Beide Ensembles sind komplett unterschiedlich, präsentieren aber Klezmermusik auf höchstem Niveau.

    Macht es eigentlich einen Unterschied, ob Sie in Kirchen oder in Konzertsälen spielen?
    In dem Moment, wo ich meine Klarinette in die Hand nehme, meine Augen schliesse und den ersten Ton spiele, spüre ich eine gewisse Befreiung meines Geistes. Ich fühle den Raum nicht mehr. Ich habe das Gefühl, als ob ich fliege. Aber ich muss schon sagen, dass ich sehr gerne in den Kirchen spiele, da ich dort eine magische und aussergewöhnliche Energie spüre.

    Freuen Sie sich auf die bevorstehende Tour «Giora Feidman & Friends»?
    Dieses Ensemble ist eine absolute Herzensangelegenheit von mir. Es spielen hier nicht nur aussergewöhnliche Musikerinnen und Musiker, sondern auch Freunde, mit denen ich grossen Spass und viel Freude am Musizieren habe.

    Im Oktober 2022 stehen Sie in div. Schweizer Städte auf der Bühne. Was können Ihre Schweizer Fans erwarten?
    Es wird eine Auswahl aus den bekanntesten Klezmer-Melodien und hervorragende neue Werke geben, die auch in der Schweiz für unvergessliche Abende sorgen werden.

    In Ihrer langen Karriere haben Sie viele Länder gesehen und viele Menschen getroffen. Wenn Sie zurückblicken: Was würden Sie einer jüngeren Generation als Botschaft mitgeben?
    Denkt mit dem Herzen. Schaut die Welt mit positiven Augen an. Helft euch gegenseitig. Ich habe nie musiziert, weil ich reich oder berühmt werden wollte. Ich sage meinen Schülern, seid geduldig, arbeitet mit dem Herzen. Der Erfolg wird euch aufsuchen und finden. Gerade in den letzten Jahren haben wir immer wieder gesehen, dass die Welt wie eine Kette funktioniert, die auch mal reissen kann. Wenn sie reisst, haben wir alle ein Problem.

    Welche Botschaft möchten Sie mit Ihrer Musik Ihrem Publikum mitgeben?
    Die Welt braucht Frieden. Ich wünsche mir eine Welt ohne Grenzen, sowie der Himmel keine Grenzen hat. Ich möchte mit meiner aktuelle Friendship-CD und der Tournee, die ich ebenfalls «Friendship» genannt haben, auch mit 86 Jahren durch die Welt reisen und die Menschen sensibilisieren, mehr in Liebe und Frieden zu agiere.

    Sie sind 86-Jährig. Welche wichtigen Lebenserfahrungen haben Sie gemacht und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
    Es ist schwierig in einem Interview über meine Lebenserfahrungen zu sprechen. Eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, ist, dass die Liebe immer wieder über Hass siegen wird. Vor einige Zeit habe ich eines meiner Instrumente dem Jüdischen Museum in Berlin geschenkt. Die Bewohner Berlins und tausende Touristen besuchen das Haus und erfahren dort mehr über das jüdische Leben. Wenn man bedenkt, dass sich meine Vorfahren vor etwa 80 Jahren in Berlin nicht einmal ohne sich in Gefahren zu begeben öffentlich zeigen konnten, gleicht dies doch einem Wunder, oder nicht? Kriege werden angefangen, Hass wird produziert doch am Ende siegt immer wieder die Vernunft, die Liebe und die Freundschaft.

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
    Für die Zukunft wünsche ich mir, dass der liebe Gott mir die Kraft gibt, dass ich weiterhin gesund bin und für die Menschen, die meine Musik lieben, spielen kann. Dass ich als Friedensbotschafter in vielen kleinen und grossen Städten auftreten und mich für ein Miteinander einsetzten kann.

    Interview: Corinne Remund


    ZUR PERSON: Der weltbekannte Klarinettist zählt zu den bekanntesten jüdischen Musikern der Welt und hat bisher über 70 Alben veröffentlicht. Die ersten Erfolge feierte er in den frühen 1970er-Jahre als Solist in New York. Mit dem Musical «Ghetto» schaffte er in Mitteleuropa den Durchbruch. Danach folgten Beiträge zu deutschen Filmen wie «Jenseits der Stille» und «Comedian Harmonists». Zu seinem 85. Geburtstag widmete ihm das ZDF die Konzert-Matinée «Happy Birthday, Giora Feidman» mit Topstars aus der Musik- und Schauspielszene wie Iris Berben, Axel Prahl, Hannes Jaenicke, Anne-Sophie Mutter, Lang Lang, Avi Avital, Tim Bendzko oder Cassandra Steen.

    Beiträge zur Versöhnung von Juden und Deutschen
    Der Frieden und das Zusammenbringen der Menschen als Einheit liegen dem Musiker am Herzen. Feidman möchte mit seiner Welttournee die Menschen verbinden. Dazu dient ihm die universelle Sprache der Musik: «Wenn ich mein Instrument aufnehme, trage ich eine spirituelle Botschaft von Frieden in die Welt». Als «Botschafter der Versöhnung» wurde Feidman für sein Engagement für Frieden und für seine Verdienste um die Aussöhnung zwischen Völkern geehrt. Für sein Lebenswerk zur Völkerverständigung in Europa verlieh man ihm den Internationalen Brückepreis. Ausserdem wurde er mit dem grossen Bundesverdienstkreuz für seinen Einsatz um die Versöhnung zwischen Deutschen und Juden ausgezeichnet. Ganz im Namen des Friedens veröffentlichte er sein neustes Album «Friendship» im Januar 2022, für das er aus dem Vatikan ein Glückwunschsschreiben erhielt.

    Schweizer Tourdaten
    Mittwoch, 12. Oktober 2022, 20 Uhr, St. Gallen – Kirche St. Laurenzen
    Donnerstag, 13. Oktober 2022, 20 Uhr, Luzern – Marianischer Saal
    Freitag, 14. Oktober 2022, 20 Uhr, Bern – Heiliggeistkirche
    Samstag, 15. Oktober 2022, 20 Uhr, Genf – Temple de la Madeleine
    Sonntag, 16. Oktober 2022, 15 Uhr, Basel – Clarakirche Basel

    Weitere Konzerttermine unter: www.giorafeidman.com

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